Wissenschaftlicher Dienst zur Souveränität Deutschlands

Wissenschaftlicher Dienst, Deutscher Bundestag:

Sachstand: WD 3 – 201/21 Staatliche Souveränität Deutschlands im Kontext der europäischen Integration aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts | polit-x.de

Staatliche Souveränität Deutschlands im Kontext der europäischen

Integration aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts

1. Normativer Ausgangspunkt
Das Verhältnis Deutschlands zur Europäischen Union wird durch die Grundsätze des Art. 23 Abs. 1 Grundgesetz geregelt. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Europäische Union demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen sowie dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen dem Grundgesetz vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Solange diese Bedingungen gegeben sind, ist die Bundesrepublik Deutschland von Verfassungs wegen verpflichtet, an der Verwirklichung eines vereinten Europas mitzuwirken und erhebt dieses zum Staatsziel.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich insbesondere in seinem sogenannten Lissabon-Urteil vom 30. Juni 20091 ausführlich zur staatlichen Souveränität Deutschlands im Licht der fortschreitenden europäischen Integration geäußert.
Zum normativen Ausgangspunkt hat es dabei vor allem die Präambel des Grundgesetzes sowie Art. 23 Abs. 1 GG genommen. Hiervon ergebe sich einerseits der Auftrag, bei der „Verwirklichung eines vereinten Europas […] bei der Entwicklung der Europäischen Union“ mitzuwirken (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG) sowie die Ermächtigung, zu diesem Zweck „Hoheitsrechte“ zu übertragen (Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG); zum anderen setze Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG mit seinem Verweis auf die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG dieser Hoheitsrechtsübertragung aber auch Grenzen, zu denen die „souveräne Staatlichkeit“ Deutschlands, seine „souveräne Verfassungsstaatlichkeit“ und „völkerrechtliche Souveränität“ gehörten. (2: BVerfGE 123, 267 (343 ff.))

2. Souveränitätsverständnis des Bundesverfassungsgerichts

Die europäische Integration und die Einfügung in friedenserhaltende Systeme wie die Vereinten Nationen bedeuteten vor diesem Hintergrund keine „Unterwerfung unter fremde Mächte“. Vielmehr sei das Grundgesetz auf eine Öffnung der staatlichen Herrschaftsordnung in diesem Sinne ausgerichtet. Der Grundsatz, das Grundgesetz schütze die individuellen Freiheiten nicht „mit dem Ziel, bindungslose Selbstherrlichkeit und rücksichtslose Interessendurchsetzung zu fördern“, gelte auch für das souveräne Selbstbestimmungsrecht der politischen Gemeinschaft. (3: Diese und die nachfolgenden Ausführungen beruhen auf BVerfGE 123, 267 (345 ff.))

Insgesamt werde anhand des Grundgesetzes deutlich, dass sich das Verständnis von Souveränität gewandelt hat. Was Anfang des 20. Jahrhunderts noch als selbstverständliches Recht eines souveränen Staates gegolten habe, wie zum Beispiel das Recht zu einem Angriffskrieg, werde vom Grundgesetz nicht reproduziert bzw. ausdrücklich ausgeschlossen. Im Gegenteil, durch die Ermächtigungen aus Art. 23 Abs. 1 GG, Art. 24 Abs. 1 und 2 GG sowie durch Art. 26 GG würden die europäische Integration und eine internationale Friedensordnung zu Verfassungszielen:

„Das Grundgesetz will die Mitwirkung Deutschlands an internationalen Organisationen, eine zwischen den Staaten hergestellte Ordnung des wechselseitigen friedlichen Interessenausgleichs und ein organisiertes Miteinander in Europa.“

Das Grundgesetz löse sich von einer „selbstgenügsame[n] und selbstherrliche[n] Vorstellung souveräner Staatlichkeit“ und fasse vielmehr „Souveränität als ‚völkerrechtlich geordnete und gebundene Freiheit‘“ (4: BVerfGE 123, 267 (346) unter Verweis auf von Martitz, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, Band I, 1888, S. 416) auf.

Staatliche Souveränität bedeutet danach „einen befriedeten Raum und die darin gewährleistete Ordnung auf der Grundlage individueller Freiheit und kollektiver Selbstbestimmung“.

Der Staat sei „weder Mythos noch Selbstzweck, sondern die historisch gewachsene, global anerkannte Organisationsform einer politischen Gemeinschaft“. Der Gesetzgeber kann zwar durch die Ermächtigung des Grundgesetzes weitreichend Hoheitsrechte auf die Europäische Union übertragen.

Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die souveräne Verfassungsstaatlichkeit nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und unter Achtung der
verfassungsrechtlichen Identität der Mitgliedstaaten gewahrt bleibt. Zudem dürfen die Mitgliedstaaten ihre Fähigkeit zu selbstverantwortlicher politischer und sozialer Gestaltung der Lebensverhältnisse nicht aufgeben.5 Das Grundgesetz ermächtige die für Deutschland handelnden Organe nicht, durch einen Eintritt in einen Bundesstaat das Selbstbestimmungsrecht des Deutschen Volkes in Gestalt der völkerrechtlichen Souveränität Deutschlands aufzugeben. Dieser Schritt sei wegen der mit ihm verbundenen unwiderruflichen Souveränitätsübertragung auf ein neues Legitimationssubjekt allein dem unmittelbar erklärten Willen des Deutschen Volkes vorbehalten.

3. Folgerungen
Als Ausdruck der Souveränitätswahrung im Rahmen der europäischen Integration lässt sich Art. 23 Abs. 1 und die entsprechende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Grenzen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gegenüber nationalem Recht begreifen. Das Bundesverfassungsgericht erkennt den Anwendungsvorrang des EU-Rechts – auch gegenüber Verfassungsrecht – grundsätzlich an, aber nicht ausnahmslos.
Zum einen finde EU-Recht (bzw. seine Auslegung durch den EuGH) dann keine Anwendung in der Bundesrepublik, wenn der „unantastbare Kerngehalt der Verfassungsidentität des Grundgesetzes nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG“ nicht gewahrt werde.6

„Das betrifft“, wie das Bundesverfassungsgericht zuletzt im PSSP-Urteil klargestellt hat, „die Wahrung des Menschenwürdekerns der Grundrechte gemäß Art. 1 GG […] ebenso wie die Grundsätze, die das Demokratie-, Rechts-, Sozial- und Bundesstaatsprinzip im Sinne des Art. 20 GG prägen.“ (7:BVerfGE 123, 267 (346) unter Verweis auf von Martitz, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, Band I, 1888, S. 416). So müsse etwa mit Blick auf das Demokratieprinzip sichergestellt sein, dass dem Deutschen Bundestag „eigene Aufgaben und Befugnisse von substantiellem politischen Gewicht verbleiben und […] dass er in der Lage bleibt, seine haushaltspolitische Verantwortung wahrzunehmen“.8

Auch wäre es nicht mit dem in Art. 20 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Volkssouveränität zu vereinbaren, wenn Hoheitsrechte auf die EU derart übertragen würden, „dass aus ihrer Ausübung heraus eigenständig weitere Zuständigkeiten für die Europäische Union begründet werden können“; die sogenannte Kompetenz-Kompetenz müsse vielmehr auf nationaler Ebene verbleiben.9

Zum anderen gilt der Anwendungsvorrang des EU-Rechts nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht bei „offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union“.10 Die gegen derartige „ausbrechende Rechtsakte“11 gerichtete „Ultra-vires-Kontrolle“, die ebenso wie die „Identitätskontrolle“ beim Bundesverfassungsgericht monopolisiert ist,12 sei allerdings „zurückhaltend und europafreundlich durchzuführen.“13

Wenn nämlich jeder Mitgliedstaat der Union ohne Weiteres für sich in Anspruch nähme, durch eigene Gerichte über die Gültigkeit von Rechtsakten der Union zu entscheiden, könnte der Anwendungsvorrang des Unionsrechts praktisch unterlaufen werden, und die einheitliche Anwendung des Unionsrechts wäre gefährdet.14

Deshalb seien Spannungslagen „kooperativ auszugleichen und durch wechselseitige Rücksichtnahme zu entschärfen.“15

Die Auslegung und Anwendung des Unionsrechts sei zuvörderst Aufgabe des EuGH, dessen Methoden richterlicher Rechtskonkretisierung auf den gemeinsamen Rechtstraditionen der Mitgliedstaten beruhten. Ihre Handhabung durch den Gerichtshof könne und müsse derjenigen durch innerstaatliche Gerichte nicht vollständig entsprechen. Seine Entscheidungen seien auch dann zu respektieren, wenn er zu einer Auffassung gelange, der sich mit gewichtigen Argumenten entgegentreten ließe. Diese „Fehlertoleranz“ und damit der Anwendungsvorrang des Unionsrechts endeten aber dort, wo die Auslegung durch den EuGH „nicht mehr nachvollziehbar und daher objektiv willkürlich“ sei.16
***

8 BVerfGE 154, 17 (94 Rn. 115).
9 BVerfGE 154, 17 (86 Rn. 101 f.).
10 Vgl. BVerfGE 154, 17 (85 f. Rn. 98).
11 BVerfGE 123, 267 (354).
12 Vgl. BVerfGE 123, 267 (354).
13 BVerfGE 154, 17 (91 Rn. 112).
14 BVerfGE 154, 17 (91 Rn. 111).
15 BVerfGE 154, 17 (91 Rn. 111).
16 BVerfGE 154, 17 (Leitsatz 2, 92 Rn. 112)

 

Am Besten wieder mal der wissenschaftliche Dienst des Bundestages:” Deutschland ist souverän, aber das Besatzungsstatut immer noch gültig” (2006)🤡
Das ist genauso, wie ein bisschen schwanger sein…

Alexej Fenenko :

– 2+4 Vertrag wurde diktiert!
– Merkel klassische Vertreterin der Strömung in Deutschland, die die Besatzung mit allen Mitteln aufrecht erhalten will
– Feindstaatenklausel der UN hat immer noch faktische Auswirkung
-Deutschland darf keine außenpolitischen Entscheidungen OHNE den Beirat der Siegermächte treffen
– Die Deutschlandfrage wurde NIE geklärt
– Wie legitim ist die Macht Warschaus, über die östlichen deutschen Gebiete, die Polen von Stalin bekam, wenn das Stalinregiem berbrecherisch war?
– Zusammenbruch der EU könnte zu einer Revision der Grenzen Deutschlands führen

➡️ http://www.kulturstudio.tv

Netzfund:

Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages (WD) legt detailliert dar, dass im Zuge des Zwei-plus-Vier-Vertrags von 1990 zwar die damalige Sowjetunion, nicht aber die Westalliierten auf ihre Besatzungsrechte in Deutschland verzichteten. RT Deutsch fragte diesbezüglich auf der Bundespressekonferenz nach.

Das öffentlich zugängige Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages (WD) kommt unter dem Titel „Überleitungsvertrag und Feindstaatenklauseln im Lichte der völkerrechtlichen Souveränität der Bundesrepublik Deutschland“ zu dem eindeutigen Schluss, dass „das weiter gültige Besatzungsrecht in drei große Bereichen“ in der Bundesrepublik Deutschland erhalten geblieben ist.

Auszug aus dem Gutachten: 

Bundespressekonferenz: Wieso gilt noch immer US-Besatzungsrecht in Deutschland?
Screenshot aus dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages

Von RT-Deutsch-Redakteur Florian Warweg auf das Bundestags-Gutachten und die darin aufgeführten expliziten Verweise auf weiterhin geltendes Besatzungsrecht in der Bundesrepublik angesprochen, leugnete der Sprecher des Auswärtigen Amtes (AA) zunächst, dass der Wissenschaftliche Dienst den Begriff „Besatzungsrecht“ in einem Gutachten verwenden würde, und erklärte weiter:

Ich glaube nicht, dass es in irgendeiner Form völkerrechtlich korrekt wäre, zu sagen, dass irgendjemand in Deutschland derzeit Besatzungsrechte ausübe.

Ähnlich äußerte sich Regierungssprecher Steffen Seibert. Beide Sprecher taten dies allerdings in offensichtlicher Unkenntnis des Rechtsgutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Dessen Fachjuristen kommen nachweislich zu einem anderen Schluss.

RT Deutsch zeigte nach der Bundespressekonferenz dem anwesenden Sprecher des AA das entsprechende Gutachten und bat um eine Nachreichung und Einschätzung durch die Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes. Diese Nachreichung erfolgte umgehend, allerdings mit einem entscheidenden Schönheitsfehler: Das AA ignoriert gänzlich die Aussagen des Bundestags-Gutachtens:

Nachtrag des AA zur RegPK – Ein Sprecher des Auswärtigen Amts: Es bestehen keine fortdauernden Besatzungsrechte in Deutschland, sondern lediglich freiwillige vertragliche Verpflichtungen, die Deutschland als souveräner Staat freiwillig eingegangen ist.
Der „Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland“ vom 12. September 1990 (sog. „Zwei-plus-Vier-Vertrag“) hat die noch bestehenden Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte beendet sowie alle noch bestehenden Einrichtungen der Vier Mächte aufgelöst. In Artikel 7 des Vertrags heißt es abschließend: „Das vereinte Deutschland hat demgemäß volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten.“ Die Präsenz alliierter Truppen in Deutschland ist im NATO-Truppenstatut sowie seinem Zusatzprotokoll geregelt.

Aber dies ist ja just der Punkt der Fachjuristen im Bundestag: Der Zwei-plus-Vier-Vertrag hat tatsächlich alle in Deutschland geltenden Besatzungsrechte aufgehoben. Allerdings gab es danach den vom Wissenschaftlichen Dienst beschriebenen Briefwechsel zwischen den westalliierten Besatzungsmächten und der Bundesregierung. Dass die Nachreichung des AA genau diesen zentralen Punkt der Intervention nach dem Zwei-plus-Vier-Vertrag ausklammert, ist blanker Hohn im Umgang mit einer journalistischen Anfrage. Und statt sich fachlich fundiert dieser Thematik zu stellen, gibt das AA mit seinem Agieren tatsächlichen Verschwörungstheorien weiteren Spielraum. Sie tun also genau das, was sie vorgeben, verhindern zu wollen.

Mehr zum Thema – Interne Kolonialisierung: Wie die DDR ausverkauft wurde

Kommentare übertragen:

In den §§ 120,123 und 146 unseres sogenannten Grundgesetzes ist doch alles geregelt. Wir sind nach wie vor besetztes Land, zahlen alle Besatzungskosten sowie alle in-und ausländischen Kriegsfolgekosten, bis lt. §146 das GG durch eine Neue Verfassung durch das Deutsche Volk verabschiedet wird. Dann ist das GG obsulet. Dies wird uns aber seit der Wiedervereinigung 1989 verweigert, den die Alliierten wissen warum. Es geht jährlich um Milliarden und aber Milliarden, die eben dann nicht mehr von uns geschultert werden müßten. Bitte die genannten §§ im Grundgesetz nachlesen. Im Handy einfach Grundgesetz eingeben und hochscrollen. Dann habt Ihr alles schwarz auf weiß. Noch Fragen?
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Überleitungsvertrag Artikel 2, Absatz 1 (laut Wikipedia bis heute gültig) : Alle Rechte und Verpflichtungen, die durch gesetzgeberische, gerichtliche oder Verwaltungsmaßnahmen der Besatzungsbehörden oder auf Grund solcher Maßnahmen begründet oder festgestellt worden sind, sind und bleiben in jeder Hinsicht nach deutschem Recht in Kraft, ohne Rücksicht darauf, ob sie in Übereinstimmung mit anderen Rechtsvorschriften begründet oder festgestellt worden sind. Diese Rechte und Verpflichtungen unterliegen ohne Diskriminierung denselben künftigen gesetzgeberischen, gerichtlichen und Verwaltungsmaßnahmen wie gleichartige nach innerstaatlichem deutschem Recht begründete oder festgestellte Rechte und Verpflichtungen.

      

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