Es ist Zeit zu sagen: Jetzt reicht’sDie Wahrheit über die Kreuzzüge
Robert Spencer über die Folgen der historischen Irrtümer.
15. April 2006 Washington D.C.
Es könnte sein, dass „die Kreuzzüge der Vergangenheit heute mehr Verwüstung anrichten, als sie es in den drei Jahrhunderten, als die meisten von ihnen geführt wurden, getan haben“. Das ist die These eines Mannes, der sich in der Geschichte der Kreuzzüge auskennt.
Robert Spencer ist Autor des Buches „Politically Incorrect Guide to Islam (and the Crusades)“ („Politisch nicht-korrekter Führer zum Islam [und zu den Kreuzzügen]“). Darin betont Spencer, dass es bei jenem Kreuzzug, der gegenwärtig geführt werde, nicht um den Verlust von Menschenleben noch um die Verwüstung von materiellem Eigentum handle, sondern um eine viel subtilere Form der Zerstörung.
Im Gespräch mit ZENIT erklärte der Fachmann, warum irrige Vorstellungen über die Kreuzzüge von Extremisten dafür genutzt werden, Feindseligkeit gegen die westliche Welt zu schüren.
Die Kreuzzüge werden oft als ein militärischer Angriffsschlag dargestellt. Waren sie das?
Spencer: Nein. Papst Urban II., der auf dem Konzil von Clermont im Jahr 1095 zum ersten Kreuzzug aufrief, hat dies aus Gründen einer längst fälligen Verteidigung getan.
In seinem Aufruf erklärte er, dass er deshalb zum Kreuzzug aufrufe, weil „die Angriffe auf die Christen“,die „Gottgläubigen“, durch die Türken und andere muslimische Streitkräfte ohne Verteidigung noch viel größere Ausmaße annehmen würden.
„Denn die Gläubigen wurden, wie die meisten von euch bereits gehört haben, von Türken und Arabern angegriffen und das Territorium der ‚Romania’ (des hellenistischen, also griechischen Imperiums), das im Westen bis zur Mittelmeerküste und dem Hellespont (Dardanellen), der der Arm St. Georgs genannt wird, reichte, wurde erobert.“
In dem Aufruf Papst Urbans II. heißt es des Weiteren wörtlich: „Sie haben immer mehr Länder der dortigen Christen besetzt und diese in sieben Kriegen besiegt. Sie haben viele von ihnen getötet und gefangen genommen, die Kirchen zerstört und das Kaiserreich (von Byzanz) verwüstet. Wenn man sie das weiter ungestraft tun lässt, werden die Gläubigen in einem noch weit größeren Ausmaß von ihnen angegriffen werden.“
Was der Heilige Vater damals gesagt hat, stimmte. Im Verlaufe des Dschihad, des „Heiligen Krieges“, sind vom siebten Jahrhundert an bis zur Zeit Papst Urbans über die Hälfte der christlich besiedelten Gebiete erobert und islamisiert worden. Bis zu den Kreuzzügen hatte die europäische Christenheit auf diese Provokationen nicht reagiert.
Was sind die am weitest verbreiteten Irrtümer über die Kreuzzüge?
Spencer: Eines der häufigsten Missverständnisse ist die Vorstellung, die Kreuzzüge seien ein unprovozierter Angriff von Seiten Europas gegen die islamische Welt gewesen.
In Wirklichkeit stand die Eroberung Jerusalems durch die Muslime im Jahr 638 am Anfang jahrhundertelanger Angriffe von Seiten des Islam, und die Christen im Heiligen Land sahen sich einer Spirale der Verfolgung ausgesetzt, die zu eskalieren drohte.
Zu Beginn des achten Jahrhunderts wurden zum Beispiel 60 christliche Pilger, die von Amorion, einer byzantinischen Stadt im Zentrum Anatoliens, kamen, gekreuzigt. Um dieselbe Zeit ließ der muslimische Kommandant von Caesarea eine Gruppe von Pilgern aus Ikonium (antiker Name für Konya, einer Stadt in Inneranatolien) gefangen nehmen und alle – bis auf eine kleine Zahl, die zum Islam konvertierten – als Spione hinrichten.
Die Muslime verlangten von den Pilgern auch Geld – unter der Drohung, die Auferstehungskirche zu plündern, falls sie nicht zahlten.
Im späteren Verlauf des achten Jahrhunderts ließ ein muslimischer Herrscher in Jerusalem das Symbol des Kreuzes in der Öffentlichkeit verbieten. Er ließ auch die Steuern für Nicht-Muslime erhöhen, die „jizya“, die die Christen zu zahlen hatten, und verbot ihnen, ihre eigenen Kinder und ihre Mitchristen im Glauben zu unterweisen.
Zu Beginn des neunten Jahrhunderts wurden die Verfolgungen so grausam, dass eine große Zahl von Christen nach Konstantinopel und in andere christliche Städten floh. Im Jahr 937 wüteten Muslime am Palmsonntag in Jerusalem und plünderten und zerstörten die Kirche auf dem Kalvarienberg sowie die Auferstehungskirche.
Im Jahr 1004 ordnete der Fatimidenkalif (als „Fatimiden“ wird die von Fatima, der jüngsten Tochter Mohammeds, abstammende mohammedanische Dynastie bezeichnet, Anm. d. Red) Abu ‘Ali al-Mansur al-Hakim, die Zerstörung von Kirchen, das Verbrennen von Kreuzen und die Aneignung von Kirchenbesitz an. In den darauf folgenden zehn Jahren wurden 30.000 Kirchen zerstört, und unzählige Christen traten zum Islam über, um ihr Leben zu retten.
Im Jahr 1009 ließ al-Hakim die Grabeskirche in Jerusalem zusammen mit mehreren anderen Kirchen, darunter die Auferstehungskirche, zerstören. Im Jahr 1056 vertrieben die Muslime 300 Christen aus Jerusalem und verbaten europäischen Christen, die wieder aufgebaute Grabeskirche zu betreten.
Als die seldschukischen Türken im Jahr 1077 Jerusalem einnahmen, versprach der Seldschuke Emir Atsiz bin Uwaq, die Einwohner zu verschonen. Sobald jedoch seine Männer die Stadt betreten hatten, ermordeten sie rund 3.000 Menschen.
Ein weiterer sehr geläufiger historischer Irrtum besteht in der Meinung, dass die Kreuzzüge mit dem Ziel geführt wurden, Muslime gewaltsam zum Christentum zu bekehren. Entgegen dieser Behauptung ist das Fehlen jeglichen Aufrufs Papst Urbans II. an die Kreuzfahrer, die Muslime zu bekehren, eklatant. In keinem der Berichte über Papst Urbans Erklärung auf dem Konzil von Clermont findet sich irgendeine derartige Aufforderung.
Erst im 13. Jahrhundert – über 100 Jahre nach dem ersten Kreuzzug – kam es dazu, dass europäische Christen einen koordinierten Versuch unternahmen, Muslime zum Christentum zu bekehren. Das geschah, als die Franziskaner in jenen Gebieten, die von den Kreuzfahrern besetzt worden waren, mit der Mission unter Muslimen begannen. Allerdings blieb dieser Versuch weitgehend erfolglos.
Dazu kommt noch ein weiterer Irrtum über die Kreuzzüge. Er betrifft die blutige Plünderung Jerusalems durch die Kreuzfahrer im Jahr 1099.
Die Eroberung Jerusalems wird oft als einzigartiges Ereignis in der Geschichte des Mittelalters dargestellt und als Ursache für das Misstrauen der Muslime gegenüber der westlichen Welt. Richtiger müsste es heißen: Sie war der Beginn einer jahrtausendelangen Verbreitung antiwestlicher Ressentiments und antiwestlicher Propaganda.
Die Plünderung Jerusalems durch die Kreuzfahrer war zwar ohne Zweifel ein abscheuliches Verbrechen – besonders im Licht der religiösen und moralischen Prinzipien, auf die sie sich beriefen. Jedoch war sie nach den militärischen Standards der damaligen Zeit nichts Außergewöhnliches.
In jener Zeit war es ein allgemein anerkannter Grundsatz der Kriegsführung, dass eine belagerte Stadt, wenn sie gegen die Eroberung Widerstand leistete, geplündert werden durfte. Leistete sie keinen Widerstand, pflegte man sie zu verschonen. Es ist historisch belegt, dass muslimische Armeen sich häufig genauso verhalten haben, wenn sie in eine eroberte Stadt einzogen.
Zwar soll hier nicht das Verhalten der Kreuzfahrer entschuldigt werden, indem auf ähnliches Handeln auf anderer Seite hingewiesen wird – eine Greueltat rechtfertigt nicht eine andere –, es zeigt aber, dass das Verhalten der Kreuzfahrer in Jerusalem dem anderer Armeen der Periode entsprochen hat, und zwar aufgrund derselben Einstellung zu Belagerung und Widerstand, die die verschiedenen Städte besaßen.
Im Jahr 1148 schreckte der muselmanische Kommandeur Nur ed-Din nicht davor zurück, alle Christen in Aleppo (Stadt in Nordwest-Syrien) töten zu lassen. Als im Jahr 1268 die Dschihad-Streitkräfte des Mamelukken-Sultans Baybars Antiochien den Kreuzfahrern weggenommen hatten, war Baybars verärgert, als er feststellen musste, dass der Kommandeur der Kreuzfahrer die Stadt bereits verlassen hatte. Er schrieb deshalb einen Brief an ihn, welcher erhalten geblieben ist und in dem er mit seinen Massakern an den Christen prahlte.
Am berüchtigtsten ist wohl der Einmarsch der Dschihad-Krieger in Konstantinopel am 29. Mai 1453, als diese, wie der Historiker Steven Runciman schreibt, „alle, die sie auf der Straße antrafen, unterschiedslos erschlugen – Männer, Frauen und Kinder“.
Und schließlich gehört zu den Irrtümern über die Kreuzzüge auch die Behauptung, Papst Johannes Paul II. habe sich für die Kreuzzüge entschuldigt. Das hat er nicht getan.
Zweifellos ist die Ansicht, Papst Johannes Paul II. habe sich für die Kreuzzüge entschuldigt, weit verbreitet. Als er starb, ‚erinnerte’ die „Washington Post“ ihre Leser daran, dass „Papst Johannes Paul II. sich in seiner langen Amtszeit bei den Muslimen für die Kreuzzüge, bei den Juden für den Antisemitismus, bei den orthodoxen Christen für die Plünderung Konstantinopels, bei den Italienern für die Beziehungen zur Mafia und zu jenen Wissenschaftlern, die die Verfolgung Galileos betrieben hatten, entschuldigt hat“.
Aber Johannes Paul II. entschuldigte sich nie wirklich für die Kreuzzüge. Was einer solchen Entschuldigung am nächsten kam, war das, was er in seiner Predigt am „Tag der Vergebung“ am 12. März 2000 sagte: „Wir müssen einfach die Treulosigkeiten gegenüber dem Evangelium, die von einigen unserer Brüder im Glauben besonders im zweiten Jahrtausend begangen worden sind, zur Kenntnis nehmen. Lasst uns um Vergebung bitten für die Spaltungen unter den Christen, für die Gewalt, die einige bei ihrem Dienst an der Wahrheit angewendet haben, und für die misstrauische und feindselige Haltung, die bisweilen gegen die Anhänger anderer Religionen eingenommen wurde.“
Dies kann man kaum eine eindeutige Entschuldigung für die Kreuzzüge nennen.
Wie haben die Muslime damals und heute die Kreuzzüge wahrgenommen?
Spencer: Jahrhundertelang, als das Osmanische Reich blühte, waren die Kreuzzüge nicht die vorrangige Sorge der islamischen Welt. Vom westlichen Standpunkt aus betrachtet waren sie einfach ein Misserfolg. Mit dem Verfall der militärischen Macht und der Einheit der islamischen Welt und dem damit zusammenfallenden Aufstieg des Westens wurden sie jedoch zum Brennpunkt muslimischer Ressentiments gegenüber dem, was sie als Übergriff und Ausbeutung empfanden.
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Katholisch ist Wahrheit empfiehlt als ausführliche Literatur zu diesem Thema folgendes Buch:
Rodney Stark-
Gottes Krieger: Die Kreuzzüge in neuem Licht
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